Miroslav Tichy

Miroslav Tichý

Fotografien und Zeichnungen

12.01. - 29.03.2024 

 

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Nach seinem Studium an der Akademie der bildenden Künste in Prag war Miroslav Tichý in den späten 1940er Jahren zunächst als Zeichner und Maler in seinen Geburtsort Kyjov tätig. In den späten 1950er Jahren hörte er mit der Malerei auf und begann sich ab dem Ende der 1960er Jahren auf seinen täglichen Stadtspaziergängen der Fotografie zu widmen. Mit seinen zum großen Teil selbstgebauten Kameras fotografierte er vor allem Frauen - dies tat er meistens als heimlicher Beobachter und ohne das Wissen der Abgebildeten, weshalb die Fotografien oft durch Zäune oder im Vorbeigehen verwackelt und unscharf wurden. Die Motive entführen die Betrachtenden in poetische Ansichten weiblicher Schönheit und der verträumten Kleinstadt. Er bearbeitete die gedruckten Fotos im Nachhinein mit Bleistift schuf so die Verbindung mit der Zeichnung. Zudem montierte er handgefertigte Bilderrahmen um die Bilder so zu einem Gesamtkunstwerk werden zu lassen. Die Endprodukte hoben sich somit meist von konventionellen Fotografien ab und sind von ungewöhnlicher formaler Qualität.

Die Zeichnungen, die karikativ erscheinen, sind mit überdimensionalen Lippen, Brüsten und Gesäßen gestaltet. Die Bilder wurden oft auf Pappe geklebt und mit einfachen Linien eingerahmt. Die Gegenüberstellungen von Zeichnungen und Fotografien zeigen den verspielten Blick auf den Alltag, die Kleidung und die Bewegungen der weiblichen Motive. Die alltäglichen Erledigungen und Bewegungen veranschaulichen sowohl in den Fotografien als auch in den Zeichnungen die Intimität der Motive. Bilder, die Szenen im Schwimmbad darstellen und wiederum im Verborgenen aufgenommen wurden zeigen „vielleicht einen der schrägsten, anrührendsten Beiträge zur Galerie der ‚Badenden‘, die in der abendländischen Kunstgeschichte alle Sehnsucht nach Körpern sublimiert hat“, so Harald Szeemann.

Die verwackelten, unscharfen, überbelichteten, schlecht bewahrten Fotografien wirken wie eine manische Produktion eines Voyeurs. Durch den erotischen Charakter des Werkes, sowie die Art der Produktion und die Lebensweise des Künstlers wurde Tichý zunächst zum Außenseiter. Kategorisieren lässt sich das Werk weiterhin nur schwer, da es atmosphärisch, formal und inhaltlich unvergleichbar ist. Miroslav Tichý bemühte sich Zeiten seines Lebens niemals um eine Öffentlichkeit, keine Ausstellung, keine Publikation. Erst Ende der 90er Jahre zeigte Tichý seine Werke das erste Mal in öffentlichen Ausstellungen. Bei der Biennale La Alegria de mis Sueños in Sevilla 2004 wurde er von Harald Szeemann ausgestellt. Diese Ausstellung war eine der letzten Szeemanns und der erste Auftritt von Tichýs Werk auf der internationalen Kunstbühne. Von da an wurde sein umfangreiches Werk, welches durch unkonventionelle Herangehensweise an Fotografie und Kunst geprägt ist und durch eine persönliche Ästhetik eine tiefgehende Intimität gewinnt, weltweit bekannt und an vielen internationalen Orten ausgestellt.

Text: Mona Erhart
Abb.: © Miroslav Tichý, O.T. Badende, o.J.